Enrique RODRIGUEZ 1901 - 1971  (Aquilino Enrique Rodríguez Ruiz)

y su Orquesta de todos los ritmos

E.R. sitzend


Bei einer Tanzveranstaltung in Buenos Aires in der Epoca de Oro war es üblich, nicht nur Tango-Tandas zu spielen, sondern diese wechselten ab mit otros ritmos, wie Jazz (wobei das Swing & Foxtrot bedeutete), aber auch einfachere Rhythmen wie Polka, Corrido, Marcha, Pasodoble und ähnliches (siehe Beitrag → Otros Ritmos). Tangos wechselten sich ab mit Musik, die extrovertierter war. Das bedeutet zum einen, dass die Tänzer jener Zeit vielseitiger waren und andere Tänze beherrschten; zum anderen, dass man für einen Abend in der Regel zwei Orquestas anstellen musste – eines für die Tango-Runden, ein anderes für die anderen Rhythmen. Das war in der Regel auch so – das eine Orchester konnte Pause machen und sich ausruhen, wenn das andere spielte.

Dann gab es die Orquestas caracteristicas. Die beherrschten beides und konnten für beides angeheuert werden, für die Tangos und den Otros Ritmos-Teil. Das Orchester von Enrique Rodríguez war so eines. Das hatte für den Veranstalter manchen Vorteil.

Seine beiden ersten Aufnahmen (bei einer chilenischem Schallplattenfirma) waren ein Foxtrot und ein Vals, die ersten bei Odeon waren wieder ein Foxtrot und ein Marsch. Der erste Tango Mi Muñequita (rec. 18.11.37) folgte erst danach. Rodríguez‘ Discographie zeigt, dass etwa die Hälfte seiner Aufnahmen ›otros ritmos‹ waren. 


Enrique Rodríguez  – das ist übrigens kein Künstler- sondern sein richtiger und ein oft vorkommender Name. Warum er zur besseren Unterscheidbarkeit keinen Künstlernamen annahm? (was in jener Zeit oft vorkam) – wir wissen es nicht. So taucht ›unser‹ Rodríguez weder in der deutschen noch in der englischen Wikipedia auf, erst in der spanischen erscheint er neben mehreren anderen Einträgen.

Enrique begann als Bandoneonist, spielte aber auch Klavier und Violine. In der Frühzeit verdiente er, ähnlich wie viele seiner Musikerkollegen, sein Geld mit dem Bandoneon bei der Begleitung von Stummfilmen, im Duo mit einem Pianisten. Stationen seiner Musikerkarriere waren u.a. Juan Maglio, Juan Canaro, Ricardo Brignolo. 1926 spielte er bei Edgardo Donato. Auch wenn er dort nur kurze Zeit blieb, so wurde er allem Anschein nach von Donatos Stil beeinflusst.

Bei Auftritten am Radio, wo er unter anderem 1934 den Sänger Francisco Fiorentino begleitete, traf er die Sängerin Maria Notar, die er bald darauf heiratete. 1936 gründete er sein eigenes Orchester und gab ihm den Namen ›La orquesta de todos los ritmos‹.

Ein Autor vermutet, dass Rodríguez von Anfang an ein Orquesta caracteristica bilden wollte, um nicht ein weiteres Tango-Orchester unter vielen zu sein. Der Erfolg gab ihm Recht, sein Ensemble war beliebt und erfolgreich. Bereits 1937 bekam er einen Schallplattenvertrag bei Odeon. Dort blieb er 34 Jahre lang und machte über 350 Aufnahmen – die letzten zwei Monate vor seinem Tod.


Auf der Webseite von Todotango heisst es (in der Biographie von R. G. Blaya) über ihn: »The more refined Tango audiences despised his style and ignored him. – Das ‘gehobenere‘ Tangopublikum * schätzte seinen Stil gering und ignorierte ihn.« Es ist was ähnliches, was die Tango-Puristen über d'Arienzos Musik sagten... Interessant ist, dass z.B. Lomuto, das OTV und andere Orchester, die ebenfalls eine grosse Anzahl von otros ritmos aufnahmen, diese Geringschätzung nicht erfahren mussten. R. G. Blaya fügt jedoch hinzu: »I respect him because everything he did was well done, in a professional way. – Ich respektiere ihn, weil er alles gut, auf professionelle Art machte.«    * (im Original: Los sectores más refinados del tango… nicht einfach zu übersetzen.)

Solche eher herabmindernden Urteile kümmerten die Tango-Tänzer zu jener Zeit wenig – er war sehr erfolgreich, nicht nur in Argentinien, sondern in ganz Latein-Amerika, vor allem in Kolumbien (ein Land mit einer starken Tango-Kultur), wo seine Musik sehr geliebt und verehrt wurde. An manchen Abenden sollen die Tänzer mit Enthusiasmus seine beliebten Melodien mitgesungen haben. Die Einladung seines Orchesters zum 21-jährigen Odeon-Jubiläum 1944 in Buenos Aires, zusammen mit Canaro, Biagi und Caló, war ein weiterer Beweis für seine Popularität. 


Foxtrot

Auf die Corridos, Polcas, Marchas, Pasodobles usw. wollen wir hier nicht eingehen, aber auf eine andere Musikrichtung, die zu jener Zeit rund um die Welt sehr beliebt war – den Foxtrot.

Oft wählte Rodríguez bekannte Hits aus dem englischsprachigen (Snake charmer - Encantador de serpientes, Bei mir bist du schön - Para mi eres divina) oder aus dem europäischen Raum (Bombolo – ein Hit des Trio Lescano in Italien). Bei seinen Interpretationen der bekannten Titel spüren wir bereits seinen eigenen Stil. Auch andere Tango-Orchester nahmen Foxtrots auf, aber die meisten, wie z.B. Carabelli oder Fresedo, unterschieden sich in ihren Interpretationen kaum vom Stil der Vorlagen.


Rodríguez entwickelte seine ganz eigene, vergnüglich-originelle Interpretationsweise bei den Foxtrots – wir finden nichts ähnliches bei anderen Orchestern. 

Einer seiner ersten grossen Hits war das fröhliche → La Colegiala (1938, mit Roberto Flores) mit einem treibenden Beat. Während viele Tangos oft (den Schmerz der) Unterschicht behandeln, erzählt dieser Titel von einer Familie, die reich genug war, ihre Tochter (!) zum Studium zu schicken. Ein recht ungewöhnliches Thema in einer Zeit, als es in Argentinien kaum eine Mittelschicht gab. Der Text ist kurz und flechtet ein, dass sie trotz ihres Studiums nach der Liebe und einem Mann sucht ...

In diesem Zusammenhang möchte ich auf die beliebte Milonga mit Candombe-Anklängen  → Chunga que si, chunga que no (1941, mit A. Moreno) hinweisen. Er wird in den Verzeichnissen als Milonga geführt, aber offensichtlich gibt es da einige Ähnlichkeiten zu Rodríguez‘ Foxtrot-Interpretationen.

Hör auch hinein in → Cantar gitano (1941, mit einer anregenden Bandoneon-Variation am Schluss); → Suavamente (1942), → No te apures, por dios, postillion (1945, das Notenblatt lässt eine russische Weise vermuten).

Manche Leute springen auf, wenn sie → Se va el tren hören (1942, alle diese Aufnahmen mit Armando Moreno als Sänger). Es ist ein weiterer Herzschmerz-Text (verfasst von Carlos Viván).


Rodríguez ist als Tango-Komponist weniger bekannt. Zu seinen Schöpfungen gehören so schöne Tangos wie Llorar por una mujer; Son cosas del Bandoneon (auch von Biagi und Lomuto aufgenommen), En la buena y en la mala, Como has cambiado pebeta, und einer seiner grössten Hits, der Vals → Tengo mil novias. Dieser Vals und einige seiner Tangos wurden von seinem Freund und Dichter Enrique Cadícamo getextet.


Sein erster Sänger war Roberto ‘El Chato‘ Flores. Der Übername Chato bezog sich auf sein Aussehen und hat die Bedeutung von Boxernase. Mit ihm spielte Rodríguez 33 Aufnahmen ein. Ich empfehle die beiden Tangos Dejame ser asi (1938) und Son cosas del bandoneon (1939, beide von Rodríguez komponiert, der zweite mit der Lyrik seines Freundes E. Cadícamo). Flores‘ Stimme kommt für mich v.a. beim ersten Beispiel recht knarrig daher. Hörenswert sind die Valses Los Piconeros (die Holzkohlenhändler – eine Übernahme einer beliebten Melodie aus Spanien), Salud, dinero y amor (man beachte die Reihenfolge!) und Tengo mil novias (Ich habe tausend Bräute – ein grosser Hit in jener Zeit, eine Rodríguez-Komposition, wieder mit Worten von Cadícamo.

Trotz des Erfolges trennte sich Roberto Flores von Rodríguez. Ein Autor merkt an, dass die Plattenfirma Victor ihn zu einem Alleingang verleitete. Im Gegensatz zu manch anderen sängerischen Alleingängen konnte sich Flores recht gut behaupten. Er hatte ein eigenes Orchester und tourte durch Südamerika. Bei Victor erschienen von ihm aber nur vier Aufnahmen, die bekannteste ist Tristeza marina, das auch von di Sarli und José Garcia 1943 aufgenommen wurde. 

Sein Leben ist mit dem Schicksal eines anderen Sängers leidvoll verknüpft: mit Francisco Fiorentino. Nach seinem Weggang von Troilo wurde Fiorentino nicht recht glücklich im harten Konkurrenzkampf des Musikgeschäftes und freute sich auf die Aussicht, zu Troilo zurückkehren zu können. Freudig erzählte er seinen Freunden davon. Jedoch musste er noch zusammen mit seinem Freund Roberto Flores eine Verpflichtung erfüllen, einen Auftritt in der Provinz. Ihr letzter Auftritt war am 10. September 1955 in einem kleinen Dorf namens Tres Arboles. Auf der Rückfahrt nach Mendoza nahmen sie eine falsche Strecke. Die Fahrt endete in einer Tragödie: mitten in der Nacht auf einer unbefestigten Strasse kam der Wagen von der Strasse ab. Fiorentino wurde aus dem Auto geschleudert und fiel ohnmächtig mit dem Gesicht nach unten in einen Entwässerungsgraben – und ertrank auf dem Bauch liegend in wenigen Zentimeter Wasser. Im Krankenhaus konnte man nur seinen Tod feststellen. Für Roberto Flores war das ein harter Schlag.

Nach Flores wurde Armando Moreno 1940 ins Orchester geholt – zu jener Zeit gerade mal 18 Jahre jung. Deshalb bekam er den Übernamen 'El Niño - der Junge', der ihm auch in späteren Jahren blieb. Seine Stimme empfinde ich angenehmer als die von Flores, sie passt gut zum Orchester. Mit ihm spielte Rodríguez über die Jahre etwa 200 Aufnahmen ein. Ab 1946 experimentierte Rodríguez mit verschiedenen Sängern, auch wenn Armando Moreno immer wieder mal für ein paar Aufnahmen zurückkehrte. Jedoch sind diese späteren Aufnahmen für uns Tango-Tänzer von geringerem Interesse.

Mit Roberto Flores und Armando Moreno hatte Rodríguez zwei gute Sänger, weshalb es nicht verwunderlich ist, dass in seinem Repertoire nur wenige Instrumental-Stücke zu finden sind. Von diesen empfehle ich Dir, in Jueves, Florida (beide 1941), Expresion campera (1942) und Zorro gris (1946) hineinzuhören.

Rodríguez nahm nach den mir verfügbaren Unterlagen bis 1971 auf, dem Jahr seines Todes. Ab den späten 50er Jahren wurden Tangos jedoch immer seltener.


Hören wir etwas genauer in seine Interpretationen hinein. Eine interessante Vergleichsmöglichkeit ist Son cosas del Bandoneon, von Rodríguez selbst komponiert, mit Worten seines Freundes Cadícamo. Im Text geht es darum, dass es nicht der Protagonist ist, der den Schmerz ausdrückt, sondern das Bandoneon, das an seiner Stelle wehklagt in dieser Champagnernacht. ›..no son mías las tristezas / de esta noche de champán (...) Si algún dolor está / flotando sin querer / sépanlo todos, compañeros, que…/ son cosas del bandoneón, /que por gusto, nada más, esta noche de verbena *, se le ha dado por llorar.‹
    * noche de verbena – lt. meinem argentinischen Informanten ein weltlich-religiöses Fest mit melancholischem Charakter, wo der Heiligen je nach Kalendertag gedacht wird. Bei Krugman verkürzt übersetzt.

›Falls irgendein Schmerz aufsteigt, dann seid gewiss, Freunde, dass es das Bandoneon ist, das, nicht mehr als aus eigenem Antrieb, weint in dieser Nacht unter den Sternen.‹ 

Höre hier → seine Version, und die von → Rodolfo Biagi (mit Andrés Falgás, beide 1939; die von Biagi sieben Monate später aufgenommen). Ohne die eine oder andere Version als ‘besser‘ bewerten zu wollen, zeigen diese beide Interpretationen, wie unterschiedlich und mit welcher Kreativität die verschiedenen Orchester die gleiche Komposition angingen! Biagi spielt auf unvergleichliche Art mit den Pausen als wären es Schläge. Auch Rodríguez benutzt Pausen, setzt diese aber konventioneller ein, d.h. an ‘erwartbaren‘ Stellen; dazu kommt ein mehr oder weniger durchgehender darunterliegender Beat, der das Tanzen leichter macht. Ab 0.50 mehrere kurze Bandoneon-Variationen mit Synkopen und Pausen, bevor Roberto Flores einsetzt. Ab 1.34 übernimmt wieder das Orchester mit der Melodielinie, danach folgen bei etwa 1.55 synkopierte Variationen, diesmal von den Violinen dominiert, bevor wieder die Bandoneons übernehmen und danach das Thema bis zum Schluss durchgespielt wird. Dem aufmerksamen Hörer fällt auf, dass bei Biagi die Schläge deutlich schärfer akzentuiert werden, mehr mit der Dynamik (Lautstärkeunterschiede) gespielt und vor allem das Klavier anders eingesetzt wird.
1940 nahm auch Lomuto diesen Titel auf.

Man kann verschiedene Titel von Rodriguez mit denen anderer Orchester vergleichen. Hör vielleicht hinein in den Instrumentaltitel La Torcacita (Rodríguez 18.12.1940, di Sarli 21.6.1941)




Stil-Änderung

1944 gab es einen Wechsel im Stil. Rodríguez stellte Roberto Garza und Armando Cupo als neue Arrangeure ein. Der bisherige Arrangeur und langjährige Pianist des Orchesters Eusebio Giorno (Komponist des schönen Vals‘ Con tu mirar und der Milonga Chunga que si) verliess daraufhin enttäuscht das Orchester – laut seinem Sohn soll er danach nie mehr Klavier gespielt haben. Der Wechsel führte zu einem weicheren, melodiöseren Stil, zu hören im Tango → La vi llegar (– Ich sah sie kommen, 1944 mit A. Moreno; zuerst aufgenommen von → Miguel Caló mit Iriarte, vier Monate vor Rodríguez). 

‍ Y el bandoneón…/ Rezongo amargo en el olvido! / Lloró su voz, / Que se quebró en la densa bruma. / Y en la desesperanza, tan cruel como ninguna / La vi partir / Sin la palabra del adiós.

Und das Bandoneon, ein bitteres Grummeln hinein ins Vergessen! Seine Stimme weinte und brach im dichten Nebel; und in Verzweiflung, grausam wie nichts, sah ich sie gehen ohne ein Wort des Abschieds.

Beide Interpretationen kommen sehr ähnlich daher, und so möchte ich vor allem die bitten, die Vorurteile gegenüber Rodríguez haben, unvoreingenommen hinzuhören. Viele DJs werden wohl trotzdem die Version von Caló bevorzugen. Es gab weitere schöne Aufnahmen wie Zorro gris. Aber mit dem neuen Stil war die Unterscheidbarkeit zu anderen Tango-Orchestern weniger spürbar, der bisherige markante Beat von Rodríguez ging verloren, und seine Anhänger waren nicht allzu begeistert. 1946 kehrte Rodríguez zu seinem alten Stil zurück, und Garza und Cupo verliessen das Orchester. 


In verschiedenen Biographien wird verkündet, dass Rodríguez nur zu unbeschwerten Interpretationen fähig war. Auch wenn es stimmt, dass die Mehrzahl seiner Interpretationen eher heiter daher kommt, so konnte er auch ernstere Themen stimmig umsetzen. Hier zwei Beispiele:

Der Alkohol ist die am häufigsten besungene Droge im Tango. Die Droge, die den (Liebes-) Schmerz ersäufen soll – sie kommt in vielen Tangos vor, sie taucht bereits in Mi noche triste auf. In → Tabernero (der Wirt, ein Tango von 1927) besingt Moreno die Abhängigkeit und die gleichzeitige Abscheu zum Drogenbeschaffer – den Schmerz des Betrunkenen bringt er mit leicht sarkastischer Färbung in der Stimme gut rüber. Die Version von Troilo mit Fiorentino folgte nur wenig Tage später. Sie ist langsamer und elaborierter arrangiert, die Version von Rodríguez ist mit diesem Thema als Hintergrund (nicht nur) für mich die stimmigere. Eine noch bessere Umsetzung bringen → José Basso mit Francisco Fiorentino acht Jahre später (1949) mit ihrer Interpretation. Dort lallt im zweiten Teil Fiorentino, den Stockbesoffenen nachahmend, nur noch im Sprechgesang. Eine geniale Umsetzung!

In den meisten Fällen wird in den Tango-Interpretationen der verschiedenen Orchester die gleichen Strophen gesungen. Tabernero ist einer der Ausnahmen, wo Rodríguez und Troilo verschiedene Zeilen des Textes (verfasst von R. C. Olivieri) gewählt haben. 

Ein weiterer Tango von Rodríguez mit dem Thema des Alkohols ist El Encopao (1942, Musik: Osvaldo Pugliese, Text: Enrique Dizeo). Copa ist verwandt mit dem englischen cup, bedeutet also Glas, Trinkgefäss. Der Encopao (taucht im spanischen Wörterbuch so nicht auf, eine Ableitung von encopado) ist also jemand, der zu viele Becher leert. Wieder das Thema des Alkohols, der den Herzschmerz erträglicher machen soll. Es geht um jemanden, der aufgegeben hat und sich nicht mal mehr darum kümmert, was andere über ihn sagen.

Me dicen ›El Encopao‹…                    Sie nennen mich ›den Betrunkenen‹…

los que no saben                                   die, die mich nicht kennen,

lo que me ha pasao.                            die nicht wissen, was mir geschehen ist

Y me ven hecho un cualquiera...       und die mich anschauen als sei ich ein Niemand

que digan lo que digan.                       sie können sagen was sie wollen

¡Que ya no me hacen mella!               es ist mir egal!

Das Klavier markiert den Beat, Violinen und Bandoneons machen Melodie und Rhythmus. Bei Minute 1 setzt der Sänger Armando Moreno wie mit einem Schrei ein und fährt traurig klagend fort – einer, der allein vor der betäubenden Droge Alkohol sitzt – die den Schmerz nicht ertränken kann, denn der Schmerz schwimmt oben. Eine weitere Interpretation eines bitteren Themas.




Gemäss verschiedener Aussagen wurde Rodríguez in den Milongas von Buenos Aires lange ignoriert, bzw. kaum gespielt. Dies soll auch heute noch so sein. Die erste CD, die erst 1996 erschien, war Bailando todos los ritmos bei Reliquias. Es folgten weitere, zunächst die otros ritmos, erst mit der Zeit folgten auch die Tangos (mit R. Flores und A. Moreno). Die letzte CD Sus primeros sucesos erschien bei Reliquias 2005). Die Liebhaber guten Klanges möchte ich jedoch vor der El Bandoneon-CD 101 ER y su OT 1939-46 warnen – sie hat (für meine Ohren) eine gar schröckliche Klangqualität. Auch Euro Records verschloss sich der steigenden Beliebtheit von Rodríguez in Europa nicht und brachte eine CD heraus (Esto es puro compas in der Reihe 78rpm) – entgegen ihrem bisherigen Qualitätsanspruch leider mit recht seltsamen Transfers und Kopfweh-Pseudostereo. Wir haben mit diesen erhältlichen CDs eine recht gute Abdeckung seiner Musik inkl. seiner Tangos bis 1946. 2018 sind die gut gemachten Transfers von Tangotunes dazugekommen.


Was bleibt …

Auch wenn die Tangos von Rodríguez nicht die Komplexität und das Raffinement von Troilo, Caló oder Laurenz haben und eher geradlinig aufgebaut sind, so sollte man seine Tangos nicht geringschätzen. Michael Lavocah meint, sie seien geradezu perfekt für vergnügliches, entspanntes Tanzen (.. is just perfect for relaxed, enjoyable dancing). Ich stimme, wie viele Tänzer, dem gerne zu. Die Tangos und Valses sind handwerklich gut gemacht, das Orchester hat eine unbeschwerte Grundstimmung und einen klaren Beat. Als Besonderheit seines Orchester sind die Foxtrot-Interpretationen zu nennen, die auf diese Art bei keinem anderen Orchester zu finden sind. Als ›Orquesta de todos los ritmos‹ war es offenkundig nicht auf Tangos fixiert, nur etwa die Hälfte der Aufnahmen waren Tango, Vals und Milonga. Das war vermutlich auch ein Grund, warum Rodríguez bei den Tango-Puristen in Buenos Aires nicht viel Anerkennung fand, auch wenn er beim grösseren Publikum gut ankam. In Europa wird Rodríguez offensichtlich mehr geschätzt als in Argentinien.



‍     Bailemos Tango ! 


‍              Tango-DJ Michael KI                                      © Oktober 2021, letzte Ergänzung Nov. 2022   




Quellen (Auswahl): siehe Einführung zu den Beiträgen

zusätzlich: – https://www.serargentino.com/en/argentine/music/the-tanguero-who-made-you-dance

https://www.todotango.com/english/artists/biography/734/Enrique-Rodriguez

– https://tangoarchive.com/2018/07/03/roberto-flores-and-his-violinists/

– Wikipedia Spanisch (acc. 09/21)

– www.todotango.com/english/artists/biography/950/Roberto-Flores/


Discographie: https://milongandoblog.wordpress.com/2018/03/24/enrique-rodriguez-discografia




‍        Meistens werden in den Tango-Interpretationen der verschiedenen Orchester die gleichen Strophen gesungen. Hier eines der eher seltenen Beispiele mit verschiedenem Text. 


Tabernero, que idiotizas                   Wirt, wie du alle verdummst
con tus brebajes de fuego,   
                    mit deinem Feuer-Gesöff.
¡sigue llenando mi copa   
                      Giess' weiter mein Glas ein
con tu maldito veneno!   
                       mit deinem verdammten Gift!

Hasta verme como loco                          Bis ich mich wie verrückt
revolcándome en el suelo!     
                  auf dem Boden herumkriechen sehe!
sigue llenando mi copa,     
                    Füll weiter mein Glas,
buen amigo tabernero.   
                       Wirt, guter Freund.

Cuando me veas borracho,         
            Wenn Du mich besoffen siehst,
canturreando un tango obsceno       
        einen obszönen Tango singend
entre blasfemias y risas         
                zwischen Flüchen und Lächeln,
armar camorra a los ebrios;  (T)     
        einen Streit anfangend mit den Betrunkenen;
   
¡no me arrojes a la calle,                        Schmeiss' mich nicht auf die Straße raus,
buen amigo tabernero,         
                   Wirt, guter Freund,
ten en cuenta que me embriago         
        denk daran, dass ich mich
con tu maldito veneno!  (Troilo)       
       mit deinem verdammten Gift besaufe!

Yo quiero matar el alma que idiotiza mi cerebro,         Ich möchte die Seele, die mein Hirn verblödet, töten,
muchos se embriagan con vino         
                        viele betrinken sich mit Wein
y otros se embriagan con besos...       
                      und andere betrinken sich mit Küssen...
Como ya no tengo amores,         
                             Da ich keine Geliebte mehr habe,
y los que tuve murieron,         
                               und die, die ich hatte, gestorben sind,
placer encuentro en el vino         
                            finde ich Vergnügen im Wein,
que me brinda el tabernero. (Rodriguez)       
            den mir der Wirt anbietet.

Todos los que son borrachos         
            Alle die, die Säufer sind,
no es por el gusto de serlo,         
              sind es nicht, weil es ihnen gefällt,
sólo Dios conoce el alma         
                nur Gott kennt die Seele,
que palpita en cada ebrio. (R+T)       
     die in jedem Säufer schlägt.

¿No ves mi copa vacía?     
                     Siehst Du nicht mein leeres Glas ?
Echa vino, tabernero,     
                       Schütt' Wein nach, Wirt,
que tengo el alma contenta,     
                damit meine Seele zufrieden ist,
con tu maldito veneno...   
                     mit Deinem verdammten Gift...
Sigue llenando mi copa,     
                    Gieß' weiter mein Glas ein,
(¡ja, ja, ja, ja, ja! )       
                      ha, ha, ha,ha, ha!
que yo no tengo remedio. (Troilo)       
     damit ich verloren bin.

www.tango-rosetta.com/canciones/Tabernero_fs.htm

Roberto "El Chato" Flores nach seiner Trennung von Rodriguez
Armando Moreno
Das Orchester von Rodriguez bei einer Radioaufnahme, vermutlich 1946