Miguel Caló (1907 - 1972)
und sein Orquesta de las Estrellas

‍      In Buenos Aires werden folgende vier Orchester zu den ›Grossen Vier‹ gezählt: Juan d'Arienzo, Carlos di Sarli, Osvaldo Pugliese, Anibal Troilo. Warum Miguel Caló nicht zu den Grossen gezählt wird, ist mir ein Rätsel. Er hat uns viele unsterbliche Tangos geschenkt. 

Miguel Caló wurde als erster Sohn italienischer Einwanderer in eine riesengrosse Familie mit 17 Kindern geboren. Als Ältester fühlte er sich verpflichtet, in jungen Jahren Geld zu verdienen und hart zu arbeiten. Er verliess frühzeitig die Schule, um Geschwister und Familie zu unterstützen. Aber er gönnte sich, ohne dass die Eltern davon wussten, ein Vergnügen: er kaufte sich eine alte Geige und übte und spielte Tango. Irgendwann entdeckten die Eltern das, und der Vater konfiszierte die Geige.

Man kann sich die familiären Spannungen vorstellen, aber die Unstimmigkeit wurde durch den Onkel gelöst, der ihm das Geld gab, um ein Bandoneon zu kaufen. Bald konnte er gut genug auf diesem schwierigen Instrument spielen. Um ein bisschen Geld zu verdienen, spielte Miguel in Stummfilmkinos, wie viele andere Tango-Kollegen jener Zeit auch. Er war so gut, dass ihm ein 18-monatiger Vertrag angeboten wurde, was ihm ermöglichte, ein regelmässiges Einkommen in das Haus der Calós zu bringen. Das änderte die Einstellung seiner Eltern – sie erkannten die musikalischen Begabungen ihrer Kinder und förderten von da an ihre Talente und Neigungen. Sechs der Kinder wurden Musiker: drei bis vier spielten in Miguels Orchester, sein Bruder Salvador zog nach Miami, nannte sich dort ›Freddy‹ und wurde Bandleader einer erfolgreichen Jazzband.  


‍        Die frühen Jahre - 1939

‍                  Miguel übte weiterhin beharrlich Bandoneon, und 1926, im Alter von 19 Jahren war er so gut, dass er als Bandoneonist in das angesehene Orchester von Osvaldo Fresedo aufgenommen wurde. Mit dem Orchester von Fresedo ging er auf Tournée nach Spanien und in die USA.

Miguel Caló unternahm mehrere Versuche, ein eigenes Orchester zu gründen. Auch wenn es zum Teil nur kurzlebige Versuche waren, so zeigte sich, dass er ein sehr gutes Gespür für Talente hatte. Sein erster Versuch war bereits 1928, damals waren dabei der Pianist Orlando Goñi (der später bei Troilo berühmt werden sollte) und der Geiger Raúl Kaplún (der später bei Lucio Demare viel zu dessen Erfolg beitragen sollte). Zu seinen (späteren) Anwerbungen gehörten Osvaldo Pugliese, Horacio Salgan, Astor Piazzolla, die Bandoneonisten Domingo Federico und Armando Pontier, Enrique Francini, der Pianist Osmar Maderna – ein Who is who der Tango-Geschichte.

Calós erste Schallplatten-Aufnahme stammt von 1932. In den Jahren 1934-38 legte er mit seinem Orchester den Grundstein für seinen reichen melodiösen Klang. Mit Roberto Caló, seinem Bruder als Sänger, machte er 1938 zwei Aufnahmen, die auf der CD ›Miguel Caló y sus Cantores 1935-58‹ von Euro Records veröffentlicht wurden.

Dulce amargura 1938 als interessanter Vergleich, um zu zeigen, wie sich das Orchester in den folgenden Jahren musikalisch verfeinerte. 


Ein neues Orchester

1940 stellte Caló das Orchester zusammen, das später den Titel »Orquesta de las Estrellas – Orchester der Stars oder Sterne« bekommen sollte. Für seinen bisherigen Pianisten Hector Stamponi, der eigene Wege gehen wollte, suchte er Ersatz. Bei Radio Belgrano lernte er Osmar Maderna kennen, der als Solist Tango und klassische Musik spielte und erst vor kurzem nach Buenos Aires gezogen war. Maderna, ein Mann mit grosser musikalischer Sensibilität, trug viel zum Stil von Calós Orchesters bei, er arrangierte viele seiner Stücke. 

Caló und Maderna komponierten zusammen einige unvergessliche und bezaubernde Tangos wie → Jamas retornaras (Du wirst nie zurückkehren), Que te importa que te llore (Was kümmert es dich, dass ich dich beweine) und Dos fracasos (Zweimal Scheitern). Alle drei sind Herzschmerz-Tangos. Achte beim ersten darauf, wie die Violine die Melodie eröffnet und wie die Violinen danach kreativ und vielfältig eingesetzt werden. Auch in diesem Tango Dehnungen und rhythmische Spielereien, die den Tango so abwechslungsreich machen. In der Gegenüberstellung hört man besser, was ich mit ‘abwechslungsreich‘ meine. Höre bitte Canaros → Es mejor perdonar als Vergleich an (ich habe bewusst eines seiner besseren Stücke aus diesem Jahr ausgesucht). Der Vergleich zeigt, auf welchem Niveau Calós Orchester spielt.

Calós Bruder Roberto vermittelte ihm einen neuen, wenn auch sehr jungen Sänger mit kräftiger Stimme mit dem ungewöhnlichen Namen Alejandro Washington Alé. Er bekam von Caló den Künstlernamen Juan Carlos Morel in Andenken an den jung verstorbenen Alberto Morel, der 1936 bei Caló gesungen hatte. Weil Alejandro erst 15 Jahre alt war, konnte Caló ihn nur in den Matinéen singen lassen, in die Cabarets und Nachtclubs durfte er offiziell nicht rein. »Wenn die Inspekteure zur Kontrolle kamen, wurde ich versteckt.« Alejandro wurde später berühmt unter dem Namen Alberto Podestá. 

Auf älteren Zusammenstellungen ist der Name Morel noch zu finden, bei den späteren Zusammenstellungen auf LP und CD wurde dieser Name in Podestá geändert, da er unter diesem Namen bei di Sarli bekannt geworden war. Auf den Schellack-Plattenetiketten jener Zeit ist der Name nicht zu finden, denn bei Odeon wurde, im Gegensatz zu RCA Victor, der Name des Sängers oft nicht erwähnt. Meistens hiess es bloss ›Tango con estribillo‹. Jedoch wurde im Gegensatz zur Regel Raúl Berón erwähnt, später auch Podestá, Iriarte hingegen nicht (erst ab 1945).


Die erfolgreichsten Jahre waren von 1941 - 1945 

Dabei fing es im Jahr 1941 gar nicht gut an für Miguel Caló. Er hatte zwar einen Vertrag bei einem Radiosender, was für die Bekanntheit und den Erfolg eines Orchesters ausserordentlich wichtig war. Aber die Radio- und Schallplattenbosse fanden, dass sein Sänger Raúl Berón mit der weichen Stimme wenig geeignet sei für Radio- und Schallplattenaufnahmen. Sie drängten ihn, dass er Berón doch rausschmeissen solle. Caló hatte das Gefühl, keine andere Möglichkeit zu haben – mit Bedauern sprach er Berón die Kündigung auf Ende des Monats aus. Eine weitere Schwierigkeit tat sich auf: der berühmte Carlos di Sarli warb ihm seinen anderen Sänger mit der kräftigen Stimme, Alberto Podestá, ab, mit dem er schon einige Aufnahmen gemacht hatte. Caló war enttäuscht – er hatte schliesslich Podestá entdeckt und ihn auf die Bühne gebracht. Aber er konnte nichts dagegen tun. Bei dem grossen und bekannteren di Sarli zu singen, bedeutete für Podestá einen Aufstieg – und bessere Bezahlung: »Bei di Sarli verdiente ich pro Auftritt soviel wie vorher bei Caló im Monat.« Er unterschrieb ohne gross zu zögern bei di Sarli, wie er später in einem Interview erzählte.

Doch das Schicksal wendete sich für Caló trotzdem zum Guten. Ende April 1942 nahm Caló das Risiko auf sich und machte die erste Aufnahme Al compás del corazón (zum Schlag des Herzens) mit Berón im Plattenstudio. Er war sich bewusst, dass Beróns Stimme anders war. Die Musik arrangierte er um die Stimme von Raúl Berón, man hört, wie dieser mit seiner samtweichen Stimme (ähnlich wie die von Al Bowlly) ganz nahe am Mikrofon steht.

Al compas del corazon

Die Platte kam heraus (auf der anderen Seite El vals soñador) – und wurde ein ganz grosser Hit! Ironischerweise war es ein deutlich grösserer Erfolg als für den bekannteren di Sarli, der Al compás del corazón mit Podestá kurz zuvor aufgenommen hatte.

Wie kam es übrigens, dass der gleiche Titel, der zuvor noch nie aufgenommen worden war, so kurz hintereinander (innerhalb von drei Wochen) von zwei Orchestern eingespielt wurde? Domingo Federico, der als Bandoneonist zu Calós Orchester gestossen war, hatte seine Komposition Al compás del corazón seinen Kollegen vorgespielt, darunter auch Berón und Podestá. Das Publikum liebte das Stück. Und als Podestá zu di Sarli abwanderte, hatte er einen potentiellen Hit im Gepäck.

Alles rückte mit dem Erfolg von Al compás del corazón an seinen richtigen Platz. Berón wurde der Starsänger bei Caló und eine der prägendsten Stimmen des Tango. Mit ihm als Sänger war für Caló die neue Stilrichtung klar, mit der er sich von den anderen Orchestern unterschied: melodiebetonte, lyrisch-romantische, gut arrangierte Tangos mit einem weichen Sound. Wenn Al compás del corazón kein Hit geworden wäre, hätte Caló Berón entlassen. Gut möglich, dass ohne Berón der Stil sich in eine andere Richtung entwickelt und Calós Orchester weit weniger Erfolg gehabt hätte. Zusammen schufen sie Werke, die, wie ich finde, zu den schönsten im Tango gehören.


Nach dem romantischen Al compas del corazon stelle ich euch einen weiteren grossen Erfolg vor, der auch deshalb so interessant ist, weil er die ganze Bandbereite des Dichters Homero Expósito zeigt: Tristezas de la Calle Corrientes

‍ Dieser Tango ist wie das romantische Al Compas del corazon vom gleichen Komponisten Domingo Federico und gleichem Dichter H. Expósito. Welch ein Gegensatz in diesem ungewöhnlichen Text! – was die Bandbreite von Homero Expósito als Dichter zeigt. Für die Argentinier war die Calle Corrientes (der Boulevard Corrientes) ein Symbol von Kunst, Vergnügen und Überfluss, das Zentrum glitzernden Nachtlebens und der ewigen Party, ein Sinnbild für den argentinischen Traum von Erfolg. Auch Expósito sieht die glitzernden Lichter, aber sie haben etwas Gespenstiges, die Augen des Dichters schauen dahinter, er spürt die Verzweiflung im Gelächter der Leute. Er vergleicht das glitzernde Band der Strasse mit einem Fluss ohne Ausweg. Die Scheinwelt des Vergnügens wird bitter hinterfragt. Welch eine Tiefe in diesen kurzen Zeilen! 

Río sin desvío, donde sufre la ciudad. –   Sackgassenfluss, wo die Stadt leidet.

Qué triste palidez  tienen tus luces! – Welch traurige Bleiche in deinem Licht

Tus letreros sueñan cruces – deine (Auf-) Schriften Träume von Kreuzen

tus afiches carcajadas de cartón. – deine Plakate lautes Gelächter aus Karton.

Risa   que precisa   la confianza del alcohol – Lachen, das den Mut des Alkohols benötigt

Mercado de las tristes alegrías... – Markt trauriger Freuden

cambalache de caricias –  Leihhaus von Zärtlichkeiten

Tu alegría es tristeza – Deine Freude ist Traurigkeit

Y el dolor de la espera te atraviesa – und der Schmerz des Wartens fliesst durch dich.  (..) 

‍ (deutsche Übersetzung nach verschiedenen englischen Übersetzungen)

Eine grossartige Dichtung, die ihre Kraft auch in der Übersetzung behält, Lyrik, die in wenigen Worten eine andere Seite hinter einer glänzenden Fassade anklingen lässt. Ein Beispiel für die Tiefgründigkeit, die wir in (manchen) Tangotexten antreffen können, und die das vielseitige Können der Tango-Textdichter zeigt.

Tristezas de la calle Corrientes (mit Raúl Berón, Musik: Domingo Federico, Lyrik: Homero Expósito)


Bei Caló spielten ausgezeichnete Musiker, und er gab ihnen die Freiheit, ihre Ideen einzubringen. Caló war vielleicht nicht der grosse Schöpfer, aber der Katalysator. Manche der Musiker komponierten auch und steuerten einige Titel zum Repertoire bei. Sein Orquesta war so gut, dass es bald den Titel »Orquesta de las Estrellas – Orchester der Stars oder Sterne« bekam. 


Das Orquesta de las Estrellas explodierte 1945

Einige der Sterne verliessen die Umlaufbahn um Caló, um - mit unterschiedlichem Erfolg - eigene Orchester zu gründen. Der erste, der Caló verliess, war sein Pianist Osmar Maderna. Dann folgten, wie in einer Kettenreaktion, der Geiger Enrique Francini und sein erster Bandoneonist Armando Pontier, die zusammen das Orchester Francini-Pontier gründeten. (Der Bandoneonist Domingo Federico hatte bereits 1943 das Orchester verlassen, um ein eigenes Orchester zu gründen).

Das war ein schlimmer Aderlass für Caló. Er integrierte neue Musiker in sein Orchester, als Ersatz für Maderna wählte er Miguel Nijensohn (der früher schon mal bei Caló gespielt hatte). Mit seinem neu zusammengestellten Orchester spielte Caló weiterhin auf hohem Niveau und nahm auch danach viele schöne Tangos und Milongas auf, die heute noch sehr beliebt sind. Jedoch haben sie nicht ganz die Klasse des vorigen Orchesters.

Hier zwei Aufnahmen von 1947 mit Raúl Iriarte als Sänger → Oyeme (Hör mich an) und → El Penado catorce (der Sträfling 14, ein herzerweichender Abschiedsbrief eines todkranken Häftlings, eine Komposition von Agustín Magaldi, die als Schallplatte die Rekordhöhe von einer Million erreichte). Die Tangos von Magaldi waren, wie O. Rossler es ausdrückte, ›ein Vorschlag, gemeinsam zu weinen.‹ 


Die wichtigsten Sänger bei Caló

Raúl Berón machte 1943 einen Abstecher zum Orchester von Lucio Demare. Auch wenn er bei Demare einige schöne Aufnahmen machte, so war die Zusammenarbeit mit Demare nicht ganz so gelungen wie die mit Miguel Caló.

Als Berón zu Demare wechselte, experimentierte Caló mit verschiedenen Sängern. 1943 machte Caló mit Jorge Ortiz, dem Stammsänger von Biagi, ein paar Aufnahmen. Im Tango A las siete en el café treffen sich zwei Freunde. »Bruder, mein wahrer Freund, der alles von mir weiss, ich erzähle dir von einer Begegnung, die mich wieder glücklich macht.« Er erzählt, wie er am Tag davor 'la piba Margarita', seine erste Liebe traf, und die er wegen seinem Milonguero-Leben verlor (y que yo por milonguero un mal día la perdi). In der nächsten Strophe singt Jorge Ortiz (seine Stimme wird dabei weich und scheu und setzt das Gesungene eindringlich in Gefühle um):

Te juro que nunca                    Ich schwöre,

me sentí tan apocado,              ich fühlte mich nie so scheu.

A las 7 en el cafe – Um sieben im Café.

Es gibt sie also – die Tangos, ihn denen der Mann das Scheitern nicht allein der Frau anlastet. Der bedauernde oder bereuende Mann gesteht die eigene (Mit-)Schuld ein. 

An dieser Stelle eine genauere Analyse: Wenn wir genauer hineinhören, finden wir von Anfang an Spielereien mit der Lautstärke, das Volumen wird zurückgenommen (manchmal nur wenige Noten), um im nächsten Augenblick mit grösserer Intensität eine Betonung zu schaffen. Bei ca. 0.13 ein kurzes Bandoneonsolo - gleich darauf gefolgt von einem kurzen Klaviersolo, im Hintergrund die Violinen mit einer anderen Melodie - es folgen die Bandoneons - eine Minipause - dann ein neues Motiv - bei 0.37 wieder eine Minipause - Bandoneons mit Violinen - dann übernehmen die Violinen - ab 0.43 wieder die Bandoneons, die mit Staccato-Spiel Rhythmus erzeugen - bei 0.47 antworten die Violinen - wieder ein ganz kurzes Aufatmen mit einer Minipause - die Violinen steigen auf, bei ca 0.58 mehrere Violinenglides hintereinander von hoch nach tief, die, präzise gespielt, ebenfalls Rhythmus erzeugen - Pause - die Violinen steigen wieder auf - das Motiv wird wiederholt (bis 1.13) - jetzt setzt der Sänger ein und erzählt die Geschichte. Gegen Ende, bei 2.43 eine staccato und unisono, präzis gespielte variación der Bandoneonabteilung im Vordergrund (wie lange müssen sie geübt haben?), bevor Maderna mit einem aufsteigenden Klavierakkord endet, gefolgt von einem leisen, nachgeschickten Pling.

In einem meiner früheren Beiträge schrieb ich, dass in den 40er Jahren die Kreativität im Tango förmlich explodierte, und dass in den kurzen drei Minuten eines Stückes viele musikalische Ideen umgesetzt sind. Dies ist nur ein kleines Beispiel für die Kreativität eines der besten Orchester jener Zeit. Auch in seinen anderen Tangos finden wir viele musikalisch fantasiereiche Einfälle und Überraschungen – wenn wir genauer hinhören. Aber als Tänzer nehmen wir diese Kreativität nur unbewusst war.

Die Zusammenarbeit Calós mit Jorge Ortiz war nicht so fruchtbar wie die mit Biagi, bereits nach 7 Aufnahmen endete die Partnerschaft mit Ortiz. 

Caló hatte 1943 einen neuen Sänger ins Orchester geholt - Raúl Iriarte. Dieser hiess eigentlich Rafael Fiorentino – ein schönklingender Name, mit dem er sicher hätte Karriere machen können – aber er bekam den Künstlernamen, vermutlich, damit es keine Verwechslungen gab mit dem schon bekannten Francisco Fiorentino. Mit ihm machte Caló im März ‘43 die erste Aufnahme Cuando tallan los recuerdos

In den Aufnahmelisten sehen wir, dass Berón 1944 wieder zu Caló zurückkehrte und weitere schöne Titel aufnahm, wie z.B. → La abandone y no sabia

1944 gab es einige Aufnahmen, die beiden Raúls wechselten sich ab. Iriarte hatte eine kräftigere, tiefere Bariton-Stimme als Berón. Hier zum Vergleich aus dem gleichen Jahr eine Aufnahme mit Iriarte →Tabaco.

Auch Podestá kehrte immer wieder mal für wenige Aufnahmen kurz zurück: 1942 der Vals Pedacito de cielo; 1943 Percal undSi tu quisieras. 

Im Juli 1945 kommt ein neuer Sänger ins Orchester: Roberta Arrieta, er bleibt bis 1948. Ich spiele seine Titel, bis auf zwei Milongas und einen Vals, fast nie auf den Milongas - meiner Ansicht übertreibt er oft mit seiner Art des Singens. Als Beispiele möchte ich Una tarde cualquiera (1945) und En secreto (1946) anführen.


Wie kann man das Orchester von Caló erkennen? 

Sicher mal am Klang, an den melodiösen Arrangements mit vielen Feinheiten und an der sanften, unverkennbaren Stimme von Raúl Berón, aber dieser ist auch bei anderen Orchestern zu hören (z.B. bei Demare und Francini). An sich sollte der Leser nach den angegebenen Hörbeispielen Calós Stil und seine Art zu arrangieren erkennen können. Auch wenn ich mich wiederhole, es ist nicht einfach, Musik in Worte zu fassen – es fehlt uns irgendwie das Vokabular dazu. Eine wichtige Figur war Osmar Maderna, der Calós Musik arrangierte und viel zum Klang und Stil seines Orchesters beitrug. Die Art, wie er am Klavier in das musikalische Geschehen eingreift und wie er die musikalischen Phrasen miteinander verbindet, ist anders als bei di Sarli. Maderna tritt deutlicher hervor, di Sarli hält sich mehr zurück. 

Eine weitere recht gute Möglichkeit, das Orchester von Caló zu erkennen, ist der Schluss – die Art, wie das Stück beendet wird. Wenn es bei einigen Orchestern das bekannte 'Chan Chan' gibt, so ist es bei Caló eine verzögerte, leiser gespielte Schlussnote, also PLING  (Pause) ding, die Maderna am Klavier beisteuert. Manchmal hört man auch einen leisen dritten Akkord. Aber Achtung – auch Tanturi endet seine Stücke auf ähnliche Weise. 


Wenn man seine Aufnahmeliste anschaut, sieht man, dass Caló – im Gegensatz zu manch anderen Orchestern –  nur wenige otros ritmos aufgenommen hat: nur selten finden wir solche, wie zum Beispiel Pasodoble und Polka, 1972 ein Pasilio (was ist das?), und in der Frühzeit zwei Foxtrots. Die ganz grosse Mehrheit sind Tangos, Valses und Milongas.

Nach 1950 wird Caló für uns Tänzer weniger interessant, auch wenn immer wieder mal ein Tango herausragt, wie z.B. Desorientado 1956 (mit Carlos Roldan). 

1961 versammelte Caló noch einmal die wichtigsten Musiker seines Orchesters von 1941, mit Pontier, Francini, Federico, Baralis und O. Tripodi am Klavier (für Osmar Maderna, der bei einem Flugzeugabsturz verunglückt war). Alberto Podestá und Raúl Berón kamen als Sänger. Sie spielten bei Radio El Mundo mit so grossem Zuspruch, dass das Orchester in der Folge bei Odeon 1963 zwölf Titel aufnahm, davon die meisten Neukompositionen. Darunter auch Para Osmar Maderna als Hommage an seinen früh verstorbenen Pianisten, dessen Talent er immer bewundert hatte.


Miguel Caló konnte sich länger behaupten als manch anderes Orchester und nahm bis kurz vor seinem Tod im Mai 1972 auf. Er hinterlässt uns ein reiches Erbe an wunderschönen Melodien. 



Bailemos Tango ! 


‍      Tango-DJ Michael KI                                      © 09/2020, letzte Ergänzung 11/2020



Quellen (Auswahl): siehe Einführung zu den Beiträgen

zusätzlich: – https://www.todotango.com/english/history/chronicle/452/Orquesta-Tipica-Miguel-Calo/

‍                 – Aufnahmeliste bis 1953 hier: https://www.el-recodo.com/music?O=Miguel%20CALO&lang=de

‍                 – Aufnahmeliste bis 1972: https://milongandoblog.wordpress.com/2017/01/28/miguel-calo-discografia/