Osmar Maderna – der Chopin des Tango (1918 - 1951)

‍    Osmar wird 1918 in einer kleinen Stadt, etwa 400 km von Buenos Aires entfernt, geboren, er ist das achte Kind von Juan und Angela Maria Maderna. Da sein Vater der Musik zugetan ist und Akkordeon und Harmonium spielt, will der kleine Osmar das auch und fängt bereits im Alter von 4 Jahren damit an. Jedoch ist der Vater dagegen, dass sein Sohn Musiker wird. Die Mutter unterstützt den Wunsch ihres Sohnes und schickt ihn heimlich zum Klavierunterricht. Der Vater anerkennt erst mit der Zeit die Fortschritte und grossen Fähigkeiten seines Sohnes und lässt ihn an einer Musikakademie studieren. Mit 13 stellt Osmar in seiner Heimatstadt sein erstes Ensemble zusammen, mit 15 erhält er bereits das Klavierdiplom.

‍    Wie alle angehenden Musiker will er nach Buenos Aires. 1938 zieht er dorthin, seinem Bruder Angel trägt er auf, er solle erzählen, er wolle in der Stadt ein Bandoneon kaufen. In Buenos Aires schliesst er sich dem Manuel ‘Nolo‘ Fernandez-Orchester an, er lebt bei Armando Moreno, dem Sänger des Orchesters. Die Dinge entwickeln sich gut für ihn, er bekommt einen Vertrag bei Radio Belgrano und spielt dort (als Solist) Tango und klassische Musik. Diese Tätigkeit beim Radio führt dazu, dass er 1939 Miguel Caló kennen lernt, der auf der Suche nach einem guten Pianisten ist, als Ersatz für Héctor Stamponi


‍       Bei Miguel Calós ›Orquesta de las Estrellas‹

‍   Miguel Caló, der ein gutes Gespür für Talente hat, wählt 1940 Maderna für die wichtige Rolle des Pianisten in seinem Orchester. Dieser ist ein Perfektionist mit grosser musikalischer Sensibilität. Vielleicht trägt Maderna am meisten zum Klang und zur Art des Spielens von Calós Orchester bei, denn er arrangiert die meisten Stücke, sie werden rhythmischer und schneller. Bei einem der Auftritte des Orchesters lernt er Olga Reneé Mazzei kennen, sie heiraten 1947.


Ein eigenes Orchester 

Nach fünf Jahren verlässt Osmar Maderna, zusammen mit dem Sänger Raul Iriarte, 1945 das Orchester von Miguel Caló. (Laut der Erzählung von Alberto Podestá soll es nach einem heftigen Streit zwischen Calo und Maderna geschehen sein.) Die beiden planen, als Duo weiter–zumachen, nach einem hoffnungsvollen gemein–samen Start kehrt Raul Iriarte aber zurück zu Caló, und Maderna steht alleine da. Jedoch nicht für lange – er stellt sein eigenes Orchester zusammen mit den Sängern Luis Tolosa und Orlando Verri. Er spielt bei Radio Belgrano und Radio El Mundo. Bei Sondor in Montevideo kann er die ersten Schallplatten aufnehmen. Danach bekommt er einen Vertrag bei RCA Victor, und bis 1951 spielt er dort 50 Aufnahmen ein. Einer seiner Sänger ist Mario Corrales, der später zu Carlos di Sarli geht und bei ihm den Künstlernamen Mario Pomar annehmen muss.


Wenn man versucht, Madernas Stil in Worte zu fassen, so kann man ihn am besten mit dem Orchester von Miguel Caló vergleichen. Er führte den Stil, den er dort mitgeprägt hatte, weiter. Die Melodie steht, wie bei Caló im Vordergrund, die Mitmusiker bekommen den Platz, ihre Kreativität einzubringen. Dem Klavierspiel wird in manchen Werken mehr Platz zugestanden und zeigt das grosse Können von Maderna, er wird ›Chopin des Tango‹ genannt. Titel, in denen er sein brillantes Klavierspiel zeigen kann und die mir besonders gefallen, sind u.a. → Fantasia en tiempo de Tango (mit Csardas-Bezügen), → Titere, → El Bajel. Schön auch seine Interpretation von → Una Vez, den meisten bekannt in der Version von O. Pugliese. Besondere Erwähnung, auch wenn es nicht zum Tanzen ist, muss seine schnell gespielte Adaption → El Vuelo del moscardón von Rimsky-Korsakovs Hummelflug finden, die sein grosses Können zeigt.

Bei vielen Stücken hören wir am Ende den gleichen versetzten Klavierakkord wie bei Caló, das dezente Pling (manchmal auch Pling .. Pling)


Ausflüge ins Filmgeschäft
Osmar Maderna tritt mit seinem Orchester in zwei Filmen auf. 1949 im Film ›El Idolo del Tango‹, in dem u.a. der Sänger Julio Martel, Domingo Federico, sein Musikerkollege bei Caló, und der Jazzgitarrist Oscar Alemán auftritt. 1950 folgt der Film ›Al compás de tu mentira‹, eine Adaption von Oscar Wildes ›The Importance of being Earnest‹. In diesem Film spielen neben Maderna Alfredo de Angelis, und wieder Domingo Federico. Die Filme kann man auf YouTube (leider nur in schlechter Qualität) finden.


Madernas grosse zweite Leidenschaft ist das Fliegen, er besitzt den Pilotenschein und ein schnelles Sportflugzeug. Seine Liebe zum Himmel scheinen auch in den Titeln seiner Kompositionen auf, wie Escalas en azul (Leiter, aber auch Zwischenlandung), Concierto a la luna (Mondkonzert), → Lluvia de Estrellas (Sternenregen - hier mit einem Link zu einem Film mit seinem Orchester). Manche hören hier Bezüge zu F. Chopin.


Maderna hat uns viele schöne Aufnahmen geschenkt. Trotzdem ist  dieses Orchester meiner Meinung eher unterbewertet geblieben, was vermutlich daran liegt, dass es lange Zeit nicht einfach war, CDs von ihm zu bekommen. Das hat sich erst geändert mit der Herausgabe der drei CDs von Euro-Records (ein nachträglicher Dank an die Herausgeber). 


Sein Erfolg wird abrupt beendet. 1951 stirbt er, erst 33 Jahre alt, in seinem Sportflugzeug, als er mit einem anderen Flugzeug zusammenprallt. Vor dem Start aus Lomas de Zamora zurück nach Buenos Aires wird er von einem anderen Piloten zu einem Wettfliegen aufgefordert. Die beiden Piloten machen immer gewagtere Manöver, bis sie kollidieren. Das Flugzeug stürzt aus niedriger Höhe ab, er und sein Passagier sterben, seine schwangere Frau verliert, als sie vom Absturz erfährt, tragischerweise in derselben Nacht ihr Kind.


Der Tango-Chronist José Gobello stellt in poetischer Umschreibung die Frage: »Wo wäre er hingekommen, wenn das Schicksal ihm und seinem Flugzeug nicht die Flügel gebrochen hätte?«


Miguel Caló, der immer das Talent von Maderna geschätzt und bewundert hatte, widmete ihm seine Komposition Para Osmar Maderna. Auch andere Orchester erinnerten an ihn mit verschiedenen Titel, wie z.B. Adiós Maestro (von A. Ruggero & José Rótulo).


Sein langjähriger Freund und Violinist in seinem Orchester, Aquiles Ruggero, führte sein Orchester mit dem Namen Orquesta Símbolo Osmar Maderna weiter, aber die grosse Klasse des ursprünglichen Orchesters hatte es nicht mehr.




Bailemos Tango ! 


‍      Tango-DJ Michael KI                                      letzte Ergänzung 08/2020