Osvaldo Fresedo – ›El Pibe de la Paternal‹ (1897 - 1984)


Musikbeispiele aus der Zeit vor 1933

‍    Für manche Tänzer, die vor allem die melodiösen, an den Milongas am meisten gespielten Aufnahmen ab 1933 kennen, sind vermutlich die Aufnahmen bis 1932 mit ihrem klar rhythmusbetonten Stil eine Überraschung. Sie waren es auch für mich. Aus dieser Zeit bis 1932 gibt es noch einiges zu entdecken, viele Aufnahmen wurden nicht auf CD bzw. nur auf japanischen Sammler-CDs veröffentlicht und sind recht schwer erhältlich. Ein guter Einstieg zu Fresedos Stil vor 1933 ist die CD vom rgs-Label 20 grandes exitos 1927-28.

Es ist ein kräftiger, eher langsamer, rhythmisch betonter Stil. Lavocah beschreibt es als Musik 'with meat and bite' – mit Kraft und Biss. 



Hier eine kleine Auswahl aus den Jahren von 1927 bis 1932, um Fresedos Stil vor 1933 zu veranschaulichen. Diese eher langsam gespielten Stücke aus der Zeit vor 1933 haben mit ihrem kraftvollen Rhythmus, wie ich finde, einen eigenen Reiz. 


Felicia 1927  Hier die, wie ich finde, äusserst interessante Interpretation von Fresedo mit einigen Klangeffekten, z.B. bei 0.40. Sind das nicht Stil- bzw. Klangelemente, wie man sie auch bei de Caro hören kann?  (ähnliche Aussagen hier: https://www.todotango.com/english/history/chronicle/250/Pre-Decarean-Orchestra-Innovators/)

Felicia wurde von sehr vielen Orchestern aufgenommen: von Canaro, Donato, Carabelli, Firpo, Maderna, d‘Arienzo (mehrmals) - um nur die bekanntesten zu nennen.
Als der Komponist Enrique Saborido diesen Tango auf dem Klavier spielte, kam eine Frau zu ihm und fragte nach dem Titel. »Er hat noch keinen. Was ist denn ihr Name?« – »Felicia«, antwortete sie überrascht. – »Dann soll er diesen Namen bekommen.« (Dank an Paul Bottomer für die kleine Geschichte)



Arrabalero 1927      Hier als Vergleich seine Interpretation von Arrabalero  1939.
(Wer es mag, kann sich auch noch Fresedos, wie ich finde, recht schmalzige Version von 1959 anhören.)



Volvé mi negra  von 1927 mit Juan Carlos Thorry (eigentlich José Antonio Torrontegui). Thorry war nur kurze Zeit im Tango als Sänger unterwegs – die grosse Karriere machte er als Schauspieler und später als Regisseur (in einer Besprechung wird er als ›El galán por excelencia del cine argentino‹ bezeichnet). Die Komposition wurde drei Monate später kurz hintereinander von → Lomuto (instrumental) und von → Canaro (mit A. Irusta) aufgenommen. Im Dezember folgte Carlos Gardel (mit Gitarrenbegleitung).





Che papusa oi   von 1928 mit Ernesto Famá. Der Name dieses Sängers ist vermutlich den meisten bekannt. Er machte viele Aufnahmen bei Canaro (ab 1932), aber auch beim OT Victor und im Sextett von di Sarli in den Jahren von 1930-31. Das Stück wurde im Jahr davor vom OT Victor als Instrumentaltitel aufgenommen.




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Madrecita mala  von 1930 mit Genaro Veiga. Der Name des Sängers und Gitarristen war mir bis anhin unbekannt. Ausser einen dünnen Artikel bei Todotango habe ich kaum was gefunden, Bilder von ihm sind selten. Es gibt eine Liste bei Brunswick, die aber nicht vollständig zu sein scheint, mit etwa 80 Aufnahmen mit ihm als Sänger und Gitarristen. Er scheint zu den ‘Vergessenen‘ der Tango-Geschichte zu gehören.
https://adp.library.ucsb.edu/index.php/mastertalent/detail/115656/Veiga_Genaro  (acc. 12/20),






Das letzte Stück meiner kleinen Auswahl ist

Desengaños von 1932 mit Teofilo Ibañez.  Beachte, dass es vermutlich zu schnell überspielt wurde. Interessant ist bei 0.38 der Einsatz der grollenden Bandoneons im Dialog mit den Geigen. Ibañez startete 1928 bei Firpo, zu seinen nächsten Stationen gehörten das OTV, de Caro, Edgardo Donato und ab 1931 Osvaldo Fresedo (mehr als 20 Aufnahmen).

Ernesto Fama um 1925